Nahkampfmitteldepot Kelsterbach (Westen)

Das Kelsterbacher Nahkampfmitteldepot

Aufgeschrieben von Christian Felten (2000)

Das im Kelsterbacher Volksmund "Depot" (Lager) genannte Gelände umschreibt das Gebiet zwischen Waldstraße und kleiner Komweg. Hier befanden sich die Unterkunfts- und Verwaltungsgebäude, sowie die Maschinenhalle des im Ersten Weltkrieg errichteten Nahkampfmitteldepot im Mönchwald, südlich von Kelsterbach. Ein Teil dieser Gebäude ist heute noch vorhanden. Das Gelände begann dort, wo sich vom Bahnhof her kommend. Waldstraße und Kiemer Komweg voneinander trennen. Dort fällt ein kleines Häuschen auf, welches früher das Pförtnerhaus des Depots war. Hier befand sich ein Schlagbaum, an dem alle Personen kontrolliert wurden, welche das Gelände betreten wollten.

Weiter die Waldstraße in Richtung Süden gehend steht linkerhand das eingeschossige "Wach- und Krankengebäude", in welchem sich eine Sanitätsstation und die Wachstube für das Wachpersonal befand. Überspringt man das nächste Haus, welches später errichtet wurde, erreicht man das große Hauptverwaltungsgebäude des Depots. Hier waren Offiziere, Unteroffiziere und Feldwebel der Königlich Stellvertretenden Intendantur des 18. Armeekorps einquartiert. Insgesamt waren auf dem Gelände etwa 200 Soldaten stationiert. Das übernächste Haus war das "Vierfamilienhaus", in welchem ebenfalls Soldaten wohnten. Auf dem Gelände des Hotels "Lindenhof" und der neueren Wohnblöcke befanden sich linkerhand der nach rechts abknickenden Waldstraße zwei weitere große Gebäude. Weil diese Gebäude im Laufe der Jahre baufällig wurden, riss man sie in den sechziger Jahren ab. Das erste Gebäude war ein "Wohlfahrtsgebäude", dass auf dem Dach ein kleines Uhrentürmchen hatte, dass zweite diente als Pferdestall und Spritzenhaus der Depotfeuerwehr, welche einen Turm zum Aufhängen der Schläuche besaß.

Das heutige Gemeindehaus der Kelsterbacher Petrusgemeinde war früher das "Betriebsgebäude", ein dreiständiger Lokomotivschuppen, in dem Dampflokomotiven und Waggons unterhalten wurden, welche auf den Gleisanlagen des Munitionslagers im Wald eingesetzt wurden. Im Boden der Maschinenhalle waren Entschlackungs- und Arbeitsgruben eingelassen, um auch von unten an den Fahrzeugen arbeiten zu können. Vor der Halle befand sich ein Wasserkran, um die Lokomotiven mit Kesselwasser zu versorgen. Das Zubringergleis zu dieser Halle zweigte von der heutigen Güterstrecke zwischen Bundesbahn und Umspannanlage ab, verlief dann entlang des Kleinen Komweges und verzweigte sich anschließend in drei parallel verlaufenden Geleise, welche in das Reparaturwerk führten. Am Gebäude selbst kann man noch erkennen, wo sich drei große Tore befanden, um die Lokomotiven einzufahren. Das Haus der Familie Kolb, am Bahnübergang der Südlichen Ringstraße gelegen, war das "Bahndienstgebäude" des Depots, wo der Fahrdienstleiter und das Fahrpersonal der Dampflokomotiven untergebracht waren. Die eigentlichen Lagerstellen für Munition befanden sich auf dem heutigen Flughafengelände und reichten fast bis nach Walldorf.

Erbaut wurde das Munitionslager um das Jahr 1917, als die Firma Brand zu Rendsburg zwei schmalspurige Baubahnen verlegte, von denen eine vom Bahnhof Kelsterbach und eine vom Schiffverladeplatz am Main zur Baustelle des Lagers führte. Das benötigte Baumaterial wurde nämlich sowohl per Staatsbahn als auch per Schiff nach Kelsterbach transportiert und dann mittels Feldbahn zur Baustelle gefahren.

Diese Feldbahnen dienten neben dem Rohstofftransport auch der Abfuhr von auf dem Baugelände gefälltem Holz. Während der Bauarbeiten ergaben sich zwei größere Änderungen im Mönchwald. Erstens musste ein Teilstück der Okrifteler Straße außerhalb des Lagergeländes verlegt werden und zweitens musste die Waldbahn Sprendlingen-Klaraberg in ihrer Streckenführung geändert werden, da diese teilweise das Baugelände durchschnitt. Im Jahre 1918 verlegte man ein regelspuriges Anschlussgleis, welches das Munitionslager im Wald und die Reichsbahnstrecke Frankfurt-Mainz verband; die Gleislage entsprach der der heutigen Güterstrecke Bundesbahn-Umspannwerk RWE. Zwischen dem heutigen Bahnübergang der Südlichen Ringstraße und der Waldgrenze befand sich damals der umfangreiche, sechsgleisige "Werksbahnhof" des Depots, auf welchem Munitionszüge zusammengestellt wurden.

Den Vorschub der Reichsbahngüterwagen von der Übergabestelle am Bahnhof Kelsterbach bis zum Werksbahnhof und vom Werkbahnhof zu den Munitionslagerstätten im Wald besorgten Dampflokomotiven, welche in der Lokomotivhalle in der Waldstraße stationiert waren. Zum Schutz vor Waldbränden waren die Loks mit speziellen Funkenfängern an den Schornsteinen ausgestattet. Das Munitionslager war in vier Abteilungen [Gruppen] aufgeteilt, welche durch umfangreiche Gleisanlagen mit dem Werksbahnhof verbunden waren. Die Zubringergleise zu den einzelnen Gruppen liefen alle an der heute noch existierenden Straßen- und Gleisbrücke über den Grenzweg zusammen. Dort lässt sich noch an Ausbuchtungen im Beton erkennen, wo drei weitere Eisenbahnbrücken den Grenzweg überspannten. Dadurch, dass alle Gleise an einer zentralen Stelle zusammentrafen, konnten abgefertigte Züge mit Munition einfacher den Gruppen A-B-C-D zugewiesen werden.

Die Abteilungen waren räumlich voneinander getrennt, damit sich ein möglicher Brand nicht auf das ganze Areal ausdehnen konnte. In diesen Abteilungen befanden sich die Munitionsschuppen zur Unterbringung von Minen, Giftgasgranaten, Artilleriegeschossen und Handgranaten. Insgesamt existierten 208 Schuppen, davon waren 16 als große Munitionsschuppen, 24 als mittlere, und 168 als kleine Schuppen angelegt, welche aus einem Zementboden, leichten Tuffsteinwänden und einer schweren Eisenbetondecke bestanden. Neben diesen gab es noch Wachbunker, welche an der Vorderseite mit einer großen Schießscharte versehen waren. Je zwei Depotgruppen hatten ein eigenes großes Verwaltungsgebäude. Das Verwaltungsgebäude für die Depotgruppen A und C ist heute noch vorhanden, es befindet sich gegenüber dem Umspannwerk und dient heute als Zentrale der Rheinisch Westfälischen Elektrizitätswerke.

Nach dem von den Deutschen verlorenen Ersten Weltkrieg wurde im Friedensvertrag von Versailles festgelegt, dass alle deutschen Munitionsbestände gesprengt werden mussten. Unter Aufsicht der französischen Besetzungsmacht nahm die "Munitions-Zerlegung GmbH Kelsterbach" als Zweigstelle der Berlin-Burger Eisenwerke in Burg bei Magdeburg den Betrieb auf.

Dieser bestand darin, die immensen Munitionsbestände zu vernichten, welche sich noch in den Munitionsschuppen befanden und die nach und nach per Ausschmelzung [Ausdüsen] unschädlich gemacht wurden. Beim Ausschmelzen von Granaten in der Zerlegungswerkstätte wurden von diesen zunächst die Zünder entfernt und gesprengt, dann erhitzte man in großen Wasserkesseln die Granaten mit der Öffnung nach unten, bis der Sprengstoff Pigrin vollständig herausgelöst war. Das Gemisch aus Wasser und Pigrin leitete man durch Rohrleitungen in tiefe Erdgruben, welche anschließend zugeschüttet wurden; an die Folgen dieses gedankenlosen Vergrabens von hochgiftiger Sprengmasse dachte damals noch keiner. Die leeren Hüllen der Granaten wurden auf dem Wasser- und Schienenweg abtransportiert und an Hochöfen zum Einschmelzen verkauft.

Aber nicht nur die im Depot lagernde deutsche Munition, sondern auch die der Franzosen wurde teilweise angekauft und erwerbsmäßig zerlegt. Am 10.7.1920 ereignete sich ein folgenschwerer Sprengunfall in einem Teil des Depots. Bis heute konnte die Ursache für den Brand nicht geklärt werden, der gegen Mittag zwei Explosionen auslöste. Sieben Arbeiter mussten dabei leider ihr Leben lassen. Es gleicht wohl einem Wunder, dass sich der Brand nicht auf das ganze Lager ausgedehnt hat, es lässt sich kaum ausmalen, was geschehen wäre, wenn mehre hundert Tonnen Munition explodiert wären. Aus Gemeinden der ganzen Umgebung eilten damals Feuerwehren zur Hilfe und bekämpften unter Einsatz ihres Lebens die Flammen. In den Abendstunden gelang es endlich, dass Feuer zu löschen. Die Beerdigung der bei der Explosion ums Leben gekommener Arbeiter in einem gemeinsamen Grab fand unter großer Beteiligung der Einwohnerschaft und des französischen Militärs statt.

Nach diesem tragischen Explosionsunglück verlegte man die Zerlegung der Granaten und das Sprengen der Zünder, was bisher unmittelbar vor den Munitionsschuppen geschah, auf einen Sprengplatz außerhalb des Depots und verband ihn mit diesem durch eine Feldbahn. Dieser Sprengplatz Ecke Judenbuschschneise-Brunnenschneise war, wie auch das Depot selbst, von einem zwei Meter hohen Zaun umgeben und durch Warntafeln gegen unbefugtes Betreten abgesichert. Jedoch hielten sich einige nicht an dieses Verbot und sammelten Metallsplitter von detonierten Granaten auf, um diese als "Altmetall" weiterzuverkaufen und somit in der schweren Nachkriegszeit ein paar Mark zu verdienen. In völliger Verkennung der Gefahr nahm man auch Blindgänger mit nach Hause, um diese zu "entschärfen". Die Folgen blieben nicht aus, mehrere Kelsterbacher und Walldorfer Bürger verloren ihr Leben oder starben in der Folgezeit an einer Gasvergiftung.

Mitte der zwanziger Jahre war die kommerzielle Zerlegung von Geschossen durch die oben genannte Firma zu Ende, denn es kam zu einem Rechtsstreit zwischen der Zerlegungsfirma und dem Staat, weil auf dem Sprengplatz und der näheren Umgebung größere Flurschäden durch unsachgemäße Sprengarbeiten verursacht wurden.

Im Jahre 1925 mussten dann nach Anweisung des Reichsvermögensamtes Mainz sämtliche Munitionsschuppen gesprengt werden. Leider geschah dies unbeachtet der Tatsache, dass größtenteils noch Munition darin aufgestapelt war. So kam es entweder ungewollten Explosionen oder die Munition wurde unter den Trümmern begraben und stellte über viele Jahre hinweg eine tödliche Gefahr dar. Man braucht nicht viele Worte über die Gefährlichkeit dieses Geländes zu verlieren, wenn man sich eine Aufstellung aus dem Jahre 1926 ansieht in der alle scharfen Geschossteile aufgeführt sind, welche beim Absuchen des für eine Überlandleitung bestimmten Geländestreifens im Depot gefunden wurden. Insgesamt waren es 372 Minen, Handgranaten, Leuchtraketen, Gewehrpatronen, Zünder und Granaten.

Im Jahre 1926 erwarb die Gemeinde Kelsterbach die leerstehenden Depotverwaltungsgebäude in der Waldstraße, um dort insgesamt 71 Wohnungen einzurichten und damit die derzeit große Wohnungsnot zu lindem. Damals wurde auch fast die gesamte Gleisanlage abgebaut, lediglich das Hauptgleis Bahnhof-Mönchwald wurde als Anschlussgleis von der Elektrizitäts-Aktiengesellschaft zum Bau einer Großtransformatorenstation [heute RWE] aufgekauft.

Noch bis in die späten dreißiger Jahre hinein dauerten die Räumungsarbeiten und die Sprengung von Fundmunition auf dem Gelände des Munitionslagers im Mönchwald an, bis es wieder betreten werden durfte, jedoch wurden noch bis in die fünfziger Jahre hinein vereinzelt Granaten im Wald gefunden. Erst als durch Rosteinwirkung Munition undicht geworden war und chemische Bestandteile das Grundwasser verseuchten, sanierte man endlich das gesamte Gelände. Außer den teilweise noch bestehenden Verwaltungsgebäuden in der Waldstraße sind heute kaum noch Spuren des ehemaligen Nahkampfmitteldepots zu finden. Lediglich in dem Waldstreifen zwischen Flughafenautobahn und Airportring lassen sich noch Gleistrassen und Bunkerfundamente entdecken. (Anmerkung: Soweit der Bericht von C. Felten).

Das Kriegsministerium in Berlin teilte am 10.6.1919 dem Reichfinanzministerium - ebenfalls in Berlin ansässig - in einem mehrseitiges Schreiben folgendes mit:

Eine Tabelle entweder aus dem Jahr 1919 bzw. 1920 gibt über einige Dinge Auskunft: - Aus dem Nahkampfmitteldepot Kelsterbach wird das Neben-Artilleriedepot Kelsterbach - Die Anlage liegt im besetzten Gebiet (Brückkopf Mainz). Sie ist von den Besetzungstruppen mit Beschlag belegt. Im Hinblick auf die erheblichen Aufwendungen ist Erwerb des Geländes wirtschaftlich. Für den Wiederverkauf als Industriegelände sind die Verbindungen günstig. Dauernde Beibehaltung ist abhängig von der Entwicklung der politischen Verhältnisse. - Kelsterbach gehörte zur 4. Artilleriedirektion.

Zwei Berichte über die Folgen und Probleme durch das ehemalige Nahkampfmitteldepot Kelsterbach (1)- Gasgranaten werden endlich geborgen!

Mörfelden-Walldorf/Kelsterbach [bae]. Ab Mitte September wollen sich die Mitarbeiter des hessischen Kampfmittelräumdienstes Nacht für Nacht an die hochbrisante Arbeit machen: Ein etwa zwei Hektar großes Gelände südlich des Frankfurter Flughafens soll Stück für Stück nach Giftgas- und Sprenggranaten aus dem ersten Weltkrieg durchforstet werden. Nach Angaben des Regierungspräsidenten in Darmstadt werden die Arbeiten voraussichtlich zwei Jahre dauern. Die Okrifteler Straße wird über diesen Zeitraum hinweg von Montag bis Freitag jede Nacht zwischen 19 Uhr abends und 5.30 morgens gesperrt sein.

"Aus Sicherheitsgründen unvermeidbar" sei die nächtliche Straßensperrung zwischen Walldorf und dem Tunnel unter der Startbahn West, erklärte Vize-Regierungspräsident Viktor Bach bei einer Pressekonferenz in Darmstadt. Die Okrifteler Straße liegt nämlich in einem 750-Meter-Sicherheitsbereich, der rund um die Munitionsfundstelle gezogen wurde. Außerhalb dieses Bereiches drohe auch bei einer Explosion einer Giftgasgranate keine Gefahr, heißt es aus dem Regierungspräsidium.

Die Granaten stammen vermutlich aus einem Munitionsdepot der deutschen Wehrmacht, das sich vor und während des Ersten Weltkrieges in der Nähe der heutigen Flughafenhalle 9 befand. Der größte Teil der damals dort gelagerten Munition wurde nach Erkenntnissen des Regierungspräsidiums Anfang der 20er am Ort durch Sprengung vernichtet. Regierungsdirektor Antonius Stockmann: "Das geschah allerdings nach unseren Erkenntnissen nicht fachgerecht." Größere Mengen Munition - 200 bis 300 Granaten - wurden damals offensichtlich nicht zerstört. Etwa zehn bis zwanzig Prozent dieser Granaten sollen chemische Kampfstoffe (Clark, Phosgen und Lost) enthalten.

Vor mehr als zwei Jahren ist die Munition schließlich bei einer routinemäßigen Überprüfung des Geländes vom Kampfmittelräumdienst entdeckt worden. Daraufhin hatte das Regierungspräsidium das Gelände zunächst einzäunen lassen und ein Sicherheitskonzept für die Beseitigung des gefährlichen Erbes aus dem Ersten Weltkrieg angekündigt.

Dieses Sicherheitskonzept konnte nach Auskunft des RP-Pressesprechers Karl-Heinz Hofmann jedoch erst jetzt vorgestellt werden, weil die Spezialisten des Kampfmittelräumdienstes zunächst bei der Bundeswehr im praktischen Umgang mit Giftgasmunition geschult werden mußten. Zusammen mit einer Firma aus Weiterstadt sollen sie sich nun an die Räumung der Munition machen.

Mit einem Bagger soll das Erdreich rund um die Fundstelle nach Granaten durchkämmt werden, sieht das Konzept vor. Über die Arbeitsstelle wird eine Halle in Leichtbauweise errichtet, die im Falle eines Unfalls verhindern soll, dass sich eine Kampstoffwolke ausdehnen kann. Eine in der Halle eingebaute Sprinkler-Anlage soll die dann auftretenden Gase niederhalten.

Geborgene Granaten sollen in einen explosionssicheren Spezialbehälter verladen und voraussichtlich zur Entsorgung in ein Bundeswehrlager im niedersächsischen Munster gebracht werden. Das letzte Wort ist darüber allerdings noch nicht gesprochen, denn die Landesregierung Niedersachsens hat einer Endlagerung dort offensichtlich noch nicht zugestimmt. Einstweilen unklar bleibt auch, was mit dem Boden dort passieren soll, der rund um die Fundstelle durch ausgelaufene und gesprengte Granaten teilweise sehr hoch mit dem giftigem Element Arsen belastet ist. Nur dort, wo die Belastung Spitzenwerte erreicht, soll die Erde nach Angaben Hofmanns ebenfalls nach Munster abgefahren werden. Geringer belasteten Boden will man mit unbelastetem vermischen und anschließend wieder an der Fundstelle einbringen. "Wir können gar nicht alles abtransportieren, denn das wären über 50.000 Kubikmeter Erde. Das nimmt uns keine Deponie ab."

Wie Regierungsdirektor Stockmann erklärte, soll das gesamte Erdreich nach der Räumung möglicherweise mit Beton abgedeckt werden, damit das Arsen nicht vom Regenwasser ins Grundwasser gespült werde. Im einzelnen habe man sich darüber allerdings noch keine Gedanken gemacht. "Die Frage werden wir uns nach der Entmunitionierung wieder stellen", sagte Stockmann vor der Presse.

Bislang seien im Grundwasser unterhalb der Fundstelle noch keine außergewöhnlich hohen Arsenbelastungen festgestellt worden, heißt es aus dem Regierungspräsidium. Alle bei 30 Probebohrungen festgestellten Werte befänden sich unterhalb der für Trinkwasser zulässigen Arsenbelastung.

Für die Bevölkerung besteht im Verlauf der zweijährigen und voraussichtlichen 4,5 Millionen Mark teuren Räumung angeblich keine Gefahr: Bis zum Nordrand von Walldorfs sind es von der Fundstelle aus 2,7 und bis zum Flughafenterminal etwa 2,4 Kilometer. Gefährlich kann es laut Sicherheitskonzept jedoch nur innerhalb der 750-Meter-Zone rund um die Granaten werden. Dennoch warnt das Regierungspräsidium die Bevölkerung davor, das Waldgebiet südlich des Flughafens während der Sperrzeiten zu betreten. Das Gelände unmittelbar um die Fundstelle soll zudem tagsüber ständig überwacht werden. (Anmerkung: Aus: Dokument Info - Freitags-Anzeiger 22. August 1986, Seiten 1 und 3.)

(2)- Giftgas - Wie Kartoffeln. Ein Teil des Frankfurter Flughafens ist mit Kampfstoffen aus dem Ersten Weltkrieg verseucht.

Auf dem Sprengplatz der Firma "Tauber Spezialtiefbau" im oberhessischen Romrod schien alles Routine. Arbeiter zündeten im Sprenggraben ein paar rostige Granaten und kehrten, als die Rauchwolke verweht war, die Reste zusammen. Das die Splitter merkwürdig naß schimmerten, fiel den Männern nicht auf.

Kurz danach bekam ein Arbeiter schweren Hautausschlag und wurde von Hustenanfällen geschüttelt; ein zweiter Feuerwerker zeigte ähnliche Symptome. Sie hatten nicht nur, wie angenommen, alte Sprenggranaten aus dem Zweiten Weltkrieg hochgejagt; auch ein Behälter mit Kampfstoff-Munition aus dem Ersten Weltkrieg war darunter gewesen - gefüllt mit dem flüssigen Giftgas "Lost".

Die Firma, die im Auftrag der hessischen Landesregierung Altmunition beseitigt, verschwieg den Unfall vom Mai 1984: "Wir sind an die Vertraulichkeit gebunden."

Auch das zuständige Darmstädter Regierungspräsidium hielt dicht, aus gutem Grund. Über Munitionsfunde im Land wird nur lasch Buch geführt. Der Sprecher der Behörde, Karl-Heinz Hofmann räumt jetzt ein: "Wir wussten nicht mehr woher das Ding stammt." Vier Monate nach der Sprengung in Romrod fand sich der Herkunftsort der Giftgranate, wieder durch einen gefährlichen Zufall. Auf dem Frankfurter Flughafen mussten Munitionssucher mit starkem Brechreiz kämpfen, diesmal waren sie auf dem Kampfstoff "Clark" gestoßen.

Seitdem wurden nach und nach 18 Behälter mit den Giftgasen "Lost" und "Clark" auf dem Gelände von Rhein-Main-Airport geborgen, eine unbekannte Zahl liegt noch immer dort. Voriges Jahr wiegelte das Darmstädter Regierungspräsidium ab, es handele sich um eine der üblichen "Altlagerstellen". Nun aber gilt der Fundort, so Hessens Innenminister Horst Winterstein [SPD], als "die zur Zeit gefahrenträchtigste Stelle in der Bundesrepublik hinsichtlich der Verseuchung mit Kampfstoffen".

Mit der Räumung kann, weil Fachleute fehlen, frühestens im Herbst begonnen werden. Mühsam haben sich die Behörden in Archiven und Museen erst einmal Klarheit über Geschichte und Lage des vergessenen Gasdepots verschafft. Die Armeen Kaiser Wilhelms hatten dort, fernab von jeder Siedlung, im Ersten Weltkrieg Granaten mit Kampfstoffen gefüllt. Das Giftgas "Clark" bestehend aus Chlor und Arsen ["Blaukreuz"], galt im militärischen Sprachgebrauch als "Maskenbrecher". Die damals üblichen Filter konnten den Nasen- und Rachenreizstoff nicht zurückhalten, den Soldaten wurde blitzartig übel. Sie rissen, weil sie sich übergeben mussten, die Gasmasken vom Gesicht.

Die schutzlosen Truppen wurden dann mit "Lost", auch "Senfgas" oder "Gelbkreuz" genannt bombardiert. Der Kampfstoff machte die Soldaten fast auf der Stelle kampfunfähig. Das Zellgift verätzt Haut, Schleimhäute und Augen, zerstört allmählich Lunge und innere Organe. In Erich Maria Remarques Bestseller "Im Westen nichts Neues" sagen die Frontsoldaten: "Wir husten uns die Lunge bröckchenweise aus". "Lost" und "Clark" wurden auch von den Alliierten eingesetzt. 500.000 Soldaten waren nach 1917 an der Front den Kampfstoffen ausgesetzt. Zehntausend starben sofort; wie viele an den Spätfolgen der Vergiftung langsam verendeten, ist nicht erfasst worden.

Auch in der Umgebung des Giftgas-Depots auf dem heutigen Frankfurter Flughafen hat es schon Opfer gegen. Die Anlage war nach dem Versailler Vertrag nur stümperhaft gesprengt worden. In den zwanziger Jahren kamen, wie alte Kirchenbücher verzeichnen, spielende Kinder im nahen Wald zu Tode. Nun müssen die Behörden versuchen, das Drehkreuz des europäischen Luftverkehrs abzusichern. Die "verdächtige Fläche" (Regierungspräsidium) mit der Größe von drei Fußballfeldern liegt zwar im südlichen Teil des Flughafens, vom Passagierterminal durch die beiden Landebahnen getrennt. In unmittelbarer Nähe aber befinden sich zwei Flugzeughallen und die amerikanische Luftwaffenbasis.

"Einfach liegenlassen", sagt Oberstleutnant Werner Wider, Sprecher des Heeres im Bundesverteidigungsministerium, über die Gasgranaten, "geht nicht". Die Zünder der Kampfstoff-Munition sind nicht etwa "durch Rostfraß weitgehend" unschädlich gemacht, wie die Hessen-Behörden ihren Bürgern ursprünglich weismachen wollten, sondern gerade durch den Rostfraß "unkalkulierbar brisant" geworden, wie die Bundeswehr-Experten für Weltkriegs-Munition wissen. Anfangs waren die Hessen, kritisierte denn auch ein Fachmann des Heeres nach den beiden Giftgas-Unfällen, viel zu sorglos mit den Funden umgegangen: "Die behandeln das Zeug wie Kartoffeln". Erst nachdem die Bundeswehr scharfe Vorkehrungen für die Räumung des Gaslagers gefordert hatte, sprach auch der Wiesbadener Innenminister von einer "großen Gefahr für die öffentliche Sicherheit".

Für die Sanierung der Fundstelle verlangt die Heeresdienstvorschrift eine Absperrung im Umkreis von 500 Metern. Das hätte eine der Frankfurter Landebahnen zwangsläufig für mehrere Jahre stillgelegt, solange nämlich wird eine vorsichtige Räumung des Geländes dauern. In zähen Verhandlungen mit den Bundeswehr-Spezialisten setzen die Hessen schließlich durch, dass der Radius enger gefasst wird - der Flugverkehr ist nicht beeinträchtigt. Teure technische Vorkehrungen werden getroffen, um dem Flughafen Verluste in Höhe vieler Millionen Mark zu ersparen.

Die Fundstelle mußte mit Drahtverhau umfriedet und mit Warnschildern gesichert werden. An einem beweglichen Zelt über der jeweiligen Grabungsstelle und einem Hydrozaun, die ständig mit Wasser berieselt werden, soll sich eventuell austretendes Gas niederschlagen. Zusätzlich müssen "entgegen der Windrichtung", so der Räumungsplan, Berufsfeuerwehren bereitstehen. Sie sollen Wasserschleier versprühen, falls Gas austritt.

Ärzte und Sanitäter der nahen Flughafenklinik müssen noch für den Umgang mit Kampfgas geschult werden, um an der Baustelle und einer eigens geplanten Notfallstation helfen können. Die Flughafenmeteorologen bereiten sich darauf vor, die Munitionssucher stündlich mit Klimagutachten zu versorgen: Bei Wärme und Windstille muß die Räumung wegen der erhöhten Gefahr gestoppt werden.

Das Darmstädter Regierungspräsidium setzt für die Kosten einen "zweistelligen Millionenbetrag" an. Doch wer die Rechnung bezahlen soll, ist zwischen Bonn und Wiesbaden strittig. Der Bund ist nur verpflichtet, für die Beseitigung von Altmunition der Hitler-Armeen aufzukommen. Wer schließlich die Räumung bezahlt, meint denn auch Sprecher Hofmann vom Regierungspräsidium doppeldeutig, sei "eine Preisfrage". (Anmerkung: Aus: Dokument Info: Der Spiegel Nr. 6 3. Februar 1986 Seite 81.)

Zeichnungen und Fotos von Gebäuden, die aus dem Nahkampfmitteldepot Kelsterbach stammen.

Es sind auffällig viele Gebäude ähnlich derer wie im Nahkampfmitteldepot Hembergen!



Die Intendantur des XVIII. Armeekorps war u.a. verantwortlich für den Bau des Depots.


Das Wach- und Krankengebäude des Depots.


Das Hauptverwaltungsgebäude des Depots.


Das Betriebsgebäude mit dem Lokomotivschuppen des Depots.


Der Rangierbahnhof im Depot.


Das Bahndienstgebäude des Depots.


Die Feuerwache mit dem Schlauchturm des Depots.


Das war das Vier-Familienhaus des Depots.


Eines der Pförtnerhäuser des Depots.


Das Depot-Planungsbüro für die Ingenieure des Militär-Neubauamtes.


Eines der Verwaltungsgebäude des Depots.


Ein anderes Verwaltungsgebäude des Depots.

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